Wirtschaftsblatt: Pleiten fallen nicht vom Himmel

Krisen kündigen sich in der Regel, wie Krankheiten, mit Symptome an, die auf eine Krise hindeuten. Für das Unternehmen heißt es, diese Symptome rechtzeitig zu erkennen.

Nach geltender Rechtslage trifft die Geschäftsführung eine laufende Selbstprüfungspflicht. Nur eine solche ermöglicht es, bei jedweder Form der Krise rechtzeitig zu handeln. Liegt nur eine betriebswirtschaftliche Krise vor, also noch kein Insolvenzgrund, so treffen die Geschäftsführung interne Sanierungspflichten. Droht allerdings bereits eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, verbleiben zur Rettung oft nur mehr schmerzhafte Spätmaßnahmen wie der Verkauf von Beteiligungen und Sachanlagen oder Forderungsverzichte von Gesellschaftern. Der OGH fordert, dass „die Organe bei Anwendung jener objektiv zu beurteilenden Sorgfalt, die entsprechend den Fähigkeiten und Kenntnissen von Unternehmensleitern in dem betreffenden Geschäftszweig üblicherweise erwartet werden können und die ein im kaufmännischen Leben erforderliches Eingehen wirtschaftlicher Risken nicht ausschließt, überzeugt sein dürfen, dass das Sanierungskonzept aussichtsreich und seine Verwirklichung ernsthaft möglich sein werde“.

Unternehmens-Scan
Der laufende Unternehmens-Scan ist also gesetzlich geboten. Beispielhaft können folgende Indikatoren genannt werden, die auf eine Krise hindeuten:

Liquiditätsprobleme
Als Folge anderer Krisenherde im Unternehmen ist dies der wichtigste Hinweis für die Notwendigkeit tiefgreifender Sanierungsarbeit. Als Maßnahmen gelten die kurzfristige Erschließung betrieblicher Leistungsreserven, die Ausschöpfung von Kostensenkungspotentialen, die Einleitung von Sofortmaßnahmen, z.B. Verwertung von Anlagevermögen, Stundungsanträge beim Finanzamt zu stellen, Forderungsverzichte der Gesellschafter zu erwirken, Factoring anzuwenden, Sonderausverkäufe von Ladenhütern anzustreben und das Aktivieren eines konsequenten Mahnwesens

Eigenkapitalquote
Die für Geldgeber und Banken wichtigste Unternehmenskennzahl. Angedacht sollte werden, die Zufuhr von Eigenkapital bzw. Gesellschafterdarlehen.

Gläubiger
Als Alarmzeichen gilt auch wenn Geldgeber untereinander Kontakt aufnehmen, Banken zusätzliche Sicherheiten oder Haftungen verlangen, das Andrängen von Gläubigern (häufige Klagen und Exekutionen), Kreditlinien gesenkt werden und Kontokorrentkredite nicht verlängert werden. Als Gegenmaßnahmen sollten eine rasche Implementierung einer straffen Liquiditätsplanung und -kontrolle, eine realistische Planung, um das Comittment der Geldgeber wiederzuerlangen, eventuell eine Umschuldungsaktionen (Stichwort Fristenkongruenz) und das Einführen eines kurzfristigen Liquiditätsmanagements angedacht werden.

Erfolg
Greifen die genannten Sofortmaßnahmen, so muss das Unternehmen mittelfristig seine Optimierungspotentiale in allen Bereichen herausfiltern. Einige wichtigedavon sind z.B. ein Wirtschaftlichkeitsvergleich des betriebsnotwendigen Vermögens, er liefert eventuell Veräußerungspotentiale (Notveräußerungen vermeiden); das Ertragspotential der ordentlichen Erträge ist zu analysieren und auszuweiten ; mittels Portfolio-Analyse und Deckungsbeitragsrechnung müssen Verlustbringer ausgesondert werden, gleichzeitig muss ein effektives Kostenmanagement bei Produkten und Dienstleistungen implementiert werden; Wertansätze der Rückstellungen und deren Risikoabgleich sind zu überprüfen; kurzfristige Finanzierungen können eventuell durch langfristiges Fremdkapital ersetzt werden: die Einführung intensiver Planung, Steuerung und Controlling in allen Bereichen, dessen Voraussetzung ein aussagekräftiges Berichtswesen ist; die Einführung eines geregelten Reportings für Geldgeber, welches deren Vertrauen in das Unternehmen wieder herstellt und untermauert.
Misserfolg

Wenn diese Maßnahmen scheitern und dadurch die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintreten, besteht nach der Insolvenzordnung (IO) Handlungsbedarf. Dann ist ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen 60 Tagen nach deren Eintritt, ein Insolvenzantrag zu stellen. Entscheidend ist die objektive Erkennbarkeit der Insolvenzgründe. Erst diese löst die Frist zur Insolvenzantragstellung aus. Die IO selbst enthält keine Definition der Begriffe. Zahlungsunfähigkeit liegt nach der gängigen Definition vor, wenn ein auch nicht überschuldeter Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel seine fälligen Verbindlichkeiten nicht zu zahlen vermag und sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald beschaffen kann.

Im Gegensatz zur Zahlungsunfähigkeit ist eine Zahlungsstockung schon begrifflich nur ein vorübergehendes Zahlungsunvermögen. Welches zeitliche Ausmaß eine Zahlungsstockung annehmen darf, um noch als solche zu gelten, ist von Fall zu Fall verschieden zu beurteilen. Nach herrschender Rechtsprechung ist eine Zahlungsstockung allerdings nur dann zu bejahen, wenn sie nicht länger als 60 Tage andauert. Es muss zudem schon bei ihrem Beginn die begründete Hoffnung auf eine baldige Behebung bestehen.

Auch wenn das Unternehmen noch zahlungsfähig sein sollte, kommt als weiterer Insolvenzgrund die Überschuldung in Frage. Diese tritt regelmäßig früher als die Zahlungsunfähigkeit ein. Insolvenzrechtlich relevant ist sie, wenn die Begleichung der fälligen oder demnächst fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht sichergestellt ist. Die Überschuldung muss daher schon auf eine künftige Zahlungsunfähigkeit hindeuten. Zudem muss eine zu erstellende Fortbestehensprognose ungünstig sein. Als Prognosegrundlagen gelten der Finanzplan, Indizien aus der Vergangenheit, Aufdeckung von Verlustursachen, Finanzierungsbeiträge Dritter und schon erfolgte Sanierungsmaßnahmen.
Die laufende Durchleuchtung des Unternehmens ist daher in jeder Hinsicht essentiell. Ohne sie kann den gesetzlichen Anforderungen, insbesondere auch zur Fortbestehensprognose und zur allfälligen Insolvenzantragspflicht, nicht nachgekommen werden, was zu unangenehmen Haftungen für den Geschäftsführer führt. Fällt die Entscheidung für den Insolvenzantrag, so sind es gerade dann die auf die oben beschriebene Weise erlangten betriebswirtschaftlichen Daten, die für eine erfolgreiche Unternehmensfortführung in der Insolvenz ausschlaggebend sind. Sie indizieren dem Unternehmen den gesetzlich erforderlichen und betriebswirtschaftlich günstigsten Zeitpunkt für die Antragstellung. Eine schlecht vorbereitere Sanierung im Rahmen einer Insolvenz ist zumeist zum Scheitern verurteilt.

Michael Ludwig Lang
Ulrike Kellner

Erschienen in: FOKUS „Anwälte für die Wirtschaft“ 14.11.2013, Redaktion: Mag. Walter J. Sieberer