Erhalt des Bestandobjekts im Insolvenzverfahren
INTERVIEW. Ist der Unternehmer nicht mehr in der Lage, alle seine Verbindlichkeiten zu bezahlen, ist zumeist auch das Bestandverhältnis davon betroffen. Ist wegen Rückständen bei der Bezahlung der Bestandzinse bereits eine Exekution zur Räumung des Geschäftslokals anhängig, ist Feuer am Dach!
Wie in dieser Situation die Einleitung eines Insolvenzverfahrens die letzte Chance sein kann, Unternehmen und Bestandobjekt zu retten, erläutern Michael Ludwig Lang und Wolfgang Herzer von Koroschetz Lang Herzer. Unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen, die Sanierung von Unternehmen zu fördern und vorgesehen, dass Bestandverträge unter bestimmten Voraussetzungen ungeachtet der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufrecht bleiben sollen.
Wirtschaftsblatt: Was sollte der Unternehmer tun, den die Gläubiger mit Exekutionsverfahren eindecken, gegen den insbesondere bereits eine Räumungsexekution wegen offener Bestandzinse anhängig ist?
LANG: Zu allererst muss er selbstkritisch hinterfragen oder Beratung in Anspruch nehmen, ob er nicht im Sinne der Insolvenzordnung zahlungsunfähig ist, d.h., ob er in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten in angemessener Zeit zu zahlen oder sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich alsbald zu beschaffen oder nicht. Gegebenenfalls hat er spätestens 60 Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen. In der geschilderten Situation ist ein Insolvenzverfahren jedoch vielleicht die letzte Chance, das Bestandobjekt, in dem sein Unternehmen betrieben wird, und auch das Unternehmen zu retten.
Wie ist das zu verstehen?
HERZER: Bis zum Ablauf von 6 Monaten nach Insolvenzeröffnung können Bestandgeber sowie sämtliche anderen Vertragspartner Verträge, deren Wegfall die Unternehmensfortführung gefährden könnte, nur mehr aus wichtigem Grund auflösen. Explizit keinen Auflösungsgrund stellt seit der Novelle der Insolvenzordnung im Jahr 2010 die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation oder der Verzug mit der Bezahlung vor Insolvenzeröffnung fällig gewordener Bestandzinse dar.
LANG: Die mögliche Sanierung insolventer Bestandnehmer hat auch der neue § 12c IO zum Ziel, der eine Exekution zur Räumung eines Bestandobjekts, in dem das Unternehmen betrieben wird, verhindern soll.
Wie kann eine schon eingeleitete Räumungsexekution verhindert werden?
HERZER: Entscheidend ist, dass das Objekt für den Unternehmensbetrieb genützt wird und das Unternehmen im Hinblick auf einen Sanierungsplan fortgeführt wird. Eine Gefährdung der Unternehmensfortführung durch den Vollzug der Räumung ist dem Gesetz interessanterweise jedoch nicht zu entnehmen.
LANG: Diese neue Regelung ist Ausdruck dessen, dass das österreichische Insolvenzrecht einer Sanierung eindeutig den Vorzug vor einer Zerschlagung einräumt. Um dem Unternehmen das weitere Überleben zu ermöglichen, hat der Gesetzgeber massiv in die Rechte des Bestandgebers eingegriffen. Während der Unternehmensfortführung, längstens für 6 Monate ab Insolvenzeröffnung, ist damit grundsätzlich die ordentliche Kündigung sowie die auf qualifizierte Mietzinsrückstände vor Insolvenzeröffnung gestützte Vertragsauflösung nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass auch die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder einer Vertragsauflösung für den Fall der Insolvenzeröffnung unzulässig ist. Damit sollte auch ein Großteil der gängigen Vertragsmuster und Standardmietverträge umgeschrieben werden.
HERZER: Während der Fortführung kann der Insolvenzverwalter ein Räumungsverfahren aufschieben lassen. In der Vergangenheit ergab sich für den Masseverwalter oftmals ein schwer lösbares Problem, da dem Vermieter in der Insolvenz des Mieters wegen Mietzinsrückständen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung grundsätzlich ein Auflösungsrecht nach § 1118 ABGB zustand. Die Abwendung einer Auflösung des Bestandverhältnisses wäre nur bei Vollzahlung der auch vor Insolvenzeröffnung aufgelaufenen Mietzinsrückstände möglich gewesen, was jedoch zu einer Ungleichbehandlung des Bestandgebers als Insolvenzgläubiger geführt hätte. Auch diese Möglichkeit war dem Insolvenzverwalter daher abgeschnitten. Dieser Zustand, der oftmals eine Sanierung torpediert hat, ist inzwischen beseitigt.
Wie lange kann eine Aufschiebung der Räumungsexekution andauern?
LANG: Die Regelung ist etwas unglücklich formuliert. Die Aufschiebung endet jedenfalls dann, wenn das Unternehmen geschlossen wird oder der Sanierungsplan aus den verschiedensten Gründen scheitert, etwa weil er zurückgezogen wird oder die Insolvenzgläubiger ihn nicht annehmen. Gleiches gilt für den Fall, dass der Sanierungsplan mit der vereinbarten Quote nicht erfüllt werden kann und es zu einem Wiederaufleben der Forderung des Bestandgebers kommt. Im anderen Fall, nämlich wenn die Forderung des Bestandgebers mit der im Sanierungsplan festgesetzten Quote rechtzeitig voll befriedigt wird, ist die aufgeschobene Räumungsexekution auf Antrag einzustellen. Im Zusammenhang mit der zweijährigen Erfüllungsfrist des Sanierungsplans kann es jedoch zu einem längeren Schwebezustand kommen.
HERZER: In einem von mir geführten Verfahren ist die unzulängliche Formulierung dieser Bestimmung voll zur Geltung gekommen. In diesem hatte der Bestandgeber auf Räumung des unternehmerischen Bestandlokales geklagt und einen Räumungstitel erwirkt. Es kam ein Sanierungsplan zustande, der gegenüber dem Bestandgeber erfüllt wurde. Erst danach beantragte der Bestandgeber die Räumungsexekution, die mangels Zustellung an den Bestandnehmer auch vollzogen wurde. Der Bestandnehmer klagte darauf den Bestandgeber auf Feststellung des aufrechten Bestandverhältnisses mit Hinweis auf die durch die mit der vollständigen Zahlung der Sanierungsplanquote bewirkte Rechtsfolge, dass das Bestandverhältnis als fortgesetzt gelte. Der OGH kam zur Auffassung, dass die angesprochene Bestimmung eine Unternehmenssanierung durch Verhinderung der Räumungsexekution ermöglichen solle, allerdings aufgrund der bereits vollzogenen Räumung eine Aufschiebung derselben nicht mehr möglich wäre. Das Vorliegen einer Räumungsexekution sei somit Anwendungsvoraussetzung. Der OGH reduziert die Bestimmung daher auf eine verfahrensrechtliche und ignoriert dabei die zivilrechtliche und sanierungsfördernde Zielsetzung des Gesetzgebers. Auch wenn ein Sanierungsplan zustande kommt, kommt es daher nach der jüngsten Judikatur nicht automatisch zu einer Fortsetzung des Bestandverhältnisses. Dafür sind entsprechende Anträge im Exekutionsverfahren, in diesem Fall durch den Insolvenzverwalter nach § 12c IO erforderlich. Diese Entscheidung bzw. allzu wörtliche Auslegung des OGH entgegen dem Regelungszweck der Bestimmung ist zu Recht in der Lehre auf Kritik gestoßen.
Was kann der Unternehmer in einer solchen Situation tun, um das Bestandobjekt trotzdem zu behalten?
LANG: Dem OGH zufolge muss der Bestandnehmer eindeutig seinen Willen kundtun, die Fortsetzung des Bestandverhältnisses anzustreben. Es seien auch Fälle denkbar, in denen der Bestandnehmer ein bis dahin zum Fortbetrieb genutztes Bestandobjekt aufgeben wolle. Der im Gesetz vorgesehene Weg, die Fortsetzung des Bestandverhältnisses zum Ausdruck zu bringen, sei der durch den Insolvenzverwalter einzubringende Aufschiebungsantrag. Dem Leitgedanken dieser Entscheidung folgend, der Bestandnehmer habe eindeutig zu erklären, das Bestandverhältnis fortsetzen zu wollen, empfiehlt es sich daher, dem Bestandgeber vor Zahlung der Sanierungsplanquote genau dies ausdrücklich und nachweislich zur Kenntnis zu bringen.